Quattro des Südens
Vier Portale zu einem Maserati: Mechaniker-Festmahl und Flaggschiff der italienischen Republik – eine Autofamilie mit Ungeheuern und Klassikern.
1963 war der erste viertürige Maserati die zweite Auto-Sensation neben dem Zwölfzylinder des Traktorenbauers Lamborghini.
„Der Viertürer war nicht leicht zu verkaufen. Coupés wie Ghibli, Indy und Mistral überzeugten auf den ersten Blick mit Eleganz“, erzählt Franz Steinbacher.
Der Autosalon seines Onkels in Wien lag beim Moulin Rouge, wo mancher Kaufvertrag begossen wurde:
„Unsere Kunden fuhren im Alltag Mercedes, Jaguar oder Amerikaner. Ein Maserati war fürs Wochenende, wenn man keine Limousine brauchte.“
Trotzdem kamen fünf der 776 Quattroporte mit Karosserie des Studios Frua zu uns; zwei davon sind heute noch bekannt.
Die erste Sportlimousine der Welt war der Quattroporte beileibe nicht: Der Jaguar Mark 10 seines Cousins imponierte auch Maserati-Chef Omer Orsi. Und die 4,1-Liter Version des V8 ist überhaupt kein Rennmotor, obwohl ein Quartett an Doppelvergasern und Nockenwellen derlei suggeriert.
Das Werk gab nach Italo-Norm 260 PS an, der TÜV taxierte ihn auf 231 PS bei moderaten 5.000 Touren.
Der 4,7-Liter große Motor mit 290 PS (248 laut TÜV) geht ein bisserl besser. Drehfreude und Durchzug sind seine Stärken, leise ist er nicht. Straßenlage: Straff und sicher, am Kurveneingang so kopfschwer wie ein doppelter Alfa.
Schnellste Limousine der Welt? 230 Spitze gab Maserati für den ersten Quattroporte an; Journalisten maßen am roten Rand des Tourenzählers 208, der Tacho zeigte viel mehr. Das reichte bis 1967: da zwängte Mercedes einen V8 mit 250 PS in die S-Klasse – der 300 SEL 6.3 wurde ein Riesenerfolg, auch unter Maserati-Fahrern.
Citro-Porte
Dann wurde es um den Quattroporte-Mythos eine Zeit lang finster; denn Maserati tat sich mit Citroen zuammen. Gemeinsam kreierte man das Nobel-Coupé Citroen SM.
Aber die Franzosen mussten sich aus Finanznot selbst an ihre Erzrivalen, den Peugeot-Konzern PSA verkaufen.
Dort sah man sich das Experiment Maserati zunächst einige Jahre an. Ein neuer Quattroporte mit Antriebstechnik des Citroen SM war in Arbeit, mit V6-Motor, Schwebefahrwerk und Vorderradantrieb.
Das einzige frontgetriebene Auto im Zeichen des Dreizacks wurde 1974 präsentiert, und es war eine Totgeburt. Je nach Quelle entstanden maximal 13 Fahrzeuge. Kaum ein Jahr später war Maserati wieder einmal pleite, PSA verkaufte die Firma an Alejandro de Tomaso. Und der machte keine halben Sachen!
Ohne Quattro, mit Porte
„Hat der Quattro-Antrieb?” war 1983 eine ungern gehörte Frage im Autosalon Wurmbrand am Wiener Parkring. Vier Türen hatte der in seiner dritten Version zum Kantenkreuzer mutierte Luxuswagen, vier Räder auch. Aber noch immer „nur“ zwei angetriebene Räder.
Erstaunlicher waren die vier Vergaser unter der gewaltigen Haube, wo – um eine Million Schilling – jeder damals bereits eine Einspritzung erwartete.
Gekauft wurde er trotzdem: Etwa zwanzig der 2.141 gebauten kamen ins Land, fünf davon in Finalversion Royale mit 300 statt 282 PS. Vier weitere flogen 1984 über Schwechat nach Jordanien, fürs Königshaus.
Ungepanzert wiegt er 2,1 Tonnen, in nicht rostfreiem Stahl gepresst bei Innocenti, neben den Italo-Minis. Für viele Fans ist er auch heute noch der Quattroporte schlechthin. Und er wurde auch zum standesgemäßen Flaggschiff der Repubblica Italiana: Enzo Ferrari war recht unwirsch, als Italiens Präsident Pertini damit bei der offiziellen Visite in Maranello vorfuhr.
Meinte ein Käufer 1984: „Straßenlage besser als mein Mercedes 450, Leistung gleich, Verbrauch höher. Viel höher!“ – Deutsche Tester maßen 9 bis 14 Liter, aber auf 50 Kilometer.
Besitzer staunten auch über den Verschleiß an Bremsen, Dämpfern, Federn, Reifen. Aber das Leder mit Faltenwurf!
Und ein Sound wie Luciano Pavarotti: Ab 160 hört man keine Beifahrerin mehr. Der Spitze von 214 (im Drive) bis 222 (im 5. Gang) wegen kaufte man ihn nicht. Schnell sein konnten AMG-Taxi und Turbo-Bentley leiser.
Das B-Wort bleibt Tabu
Spritziger sind die viertürigen Biturbo 420, 425 und 430 mit der (unecht) goldenen Uhr im Cockpit. Das Motor-Downsizing wurde später auch von Audi kopiert; der dortige Chef schenkte 1990 seiner Gattin einen roten Biturbo Spyder, weil es noch kein Audi-Cabrio gab.
Aber hinter der schlichten Fassade steckten oft Defektteufel. Nach 10.000 Sportlimos taten die neuen Chefs von Fiat so, als habe es nie einen Biturbo gegeben.
Der Nachfolger 1994 sah unscheinbar aus, was noch mehr Leder und Holz übertünchen sollten. Etwa vierzig der 1.625 V6-Exemplare mit 284 PS und fünf der 755 V8-befeuerten Autos mit 335 PS brachte Bruno de Cilia ins Land, ein jeder mit Verlust verkauft.
Die Rettung für Maserati kam 2003 durch die Zwangsehe mit dem früheren Rivalen Ferrari. Ein neuer großer Quattroporte folgte, gestylt von Pininfarina wie ein großer Alfa 156.
Mehr als 20.000 Menschen mit Geschmack fuhren darauf ab, 25 kamen Jahr für Jahr zu uns. Unter der Haube orgelt ein Ferrari-V8 mit 400 bis 440 PS. Das reicht (hinterm Walserberg) für Tempo 270 bis 285.
Zum 50. Jahrgang ist wieder Motor-Downsizing mit Doppelturbo angesagt – aber nennen Sie ihn trotzdem nicht Biturbo! Jetzt darf man im Zeichen des Dreizacks sogar dieseln. Und Jürgen Keusch, unser achter Maserati-Vertreter in 50 Jahren, kann beim jüngsten Quattroporte endlich „Ja!“ sagen: Denn der V6 mit 410 PS kommt auch mit Quattro(porte)-Antrieb.
Giancarlo Lange; Fotos: Manfred Lang, Maserati, Newspress, Archiv Lange