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Schlagwort: Emission

Abgas & Verbrauch: neue Test-Normen der EU

Jetzt aber echt!

Raus aus dem Labor: Der Neue Europäische Fahrzyklus ist Geschichte – jetzt kommen WLTP, RDE und PEMS.

Dass die standardisierten Labor-Tests die Wirklichkeit bei Verbrauch und Emissionen nicht wiedergeben, war ohnehin klar. (Die aktuelle öffentliche Empörung ist zu einem großen Teil auch gewaltige Heuchelei.) Weshalb sollten die Abgaswerte weniger stark „behübscht“ sein als der Normverbrauchswert? Und was der wert ist, merkt man spätestens beim ersten Tanken.
Wie groß die Abweichungen tatsächlich sind, dämmert den Verantwortlichen erst jetzt. Das Ausmaß der Mogelei hat die längste Zeit niemand erkannt, oder erkennen wollen. Also waren die Tests offenbar nicht gut genug. Das ist die andere Seite des Diesel-Exorzismus: niemand hat die Bösewichte erwischt.
Verbesserte Testverfahren sollen das ändern. Seit 1. September sind diese Tests Pflicht für jedes Modell, das ganz neu auf den Markt gebracht wird. Ab September 2018 wird der neue Labortest dann für jeden Fahrzeugtyp verlangt, der angeboten wird – egal, wie lange es ihn schon gibt. Der Test unter realen Fahrbedingungen wird 2019 Pflicht.
Merken wir uns ein paar neue Abkürzungen, nämlich WLTP, RDE und PEMS.

WLTP

…steht für „Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure“. Nach einem Kaltstart läuft der Testzyklus über 30 Minuten, die virtuelle Fahrstrecke ist 23.250 Meter lang, also praktisch das Doppelte des bisherigen Tests.
Der Standgas-Anteil ist mit 13 Prozent nur mehr halb so groß. Schneller gefahren wird auch; die durchschnittliche Geschwindigkeit im Zyklus ist mit 46,6 km/h statt früher 34 km/h festgesetzt, 131 km/h statt 120 km/h ist das Maximum.
Der Effekt der Klimaanlage auf die Messwerte wird weiterhin nicht berücksichtigt, man schaut jetzt jedoch auf Dinge wie eventuelle Sonderausstattungen, die das Gewicht, die Aerodynamik oder den Strombedarf aus dem Bordnetz beeinflussen.
Neben diesem simulierten Fahrbetrieb will man jetzt auch das Verhalten des Motors im realen Auto-Alltag wissen.

Foto: AVL
Foto: AVL

RDE

…bedeutet „Real Driving Emissions“. Raus aus dem Labor, rein ins wirkliche Leben: am Auspuff des Fahrzeugs wird ein mobiles Abgasmessgerät montiert, ein „Portable Emissions Measurement System“ oder, wenn man’s eilig hat, PEMS. Der Testzyklus ist hier schnell beschrieben: es gibt keinen. Der Testfahrer bewegt sich im Alltagsverkehr und das Auto tut, was da von ihm verlangt wird. Faktoren wie Wetter und Verkehrsfluss kann man ohnehin nicht vorschreiben.

Und die Folgen

Die Grenzwerte für den Labortest werden wie geplant schrittweise verschärft, und auch die erlaubte Abweichung des RDE-Wertes vom Laborwert wird entsprechend verringert. Neue Werte, neue Steuern: der Preis von Neuwagen wird steigen. Wenn der gemessene CO2-Wert höher ist, ist mehr NoVA fällig. Die Hersteller und Importeure werden zwangsweise einen guten Teil dieser Steigerung abfangen. Am besten haben es die Anbieter von großen, starken Fahrzeugen, für die sich kaum was ändert. Folgen für bereits vor dem 1. September zugelassene Autos gibt es nicht.

Abfrage: Welche TDI-Autos sind betroffen? UPDATE

Kundeninformation bei den VW-Konzernmarken

Wer ein TDI-Fahrzeug fährt, kann auf den jeweiligen Marken-Websites online abfragen, ob es zurückgerufen werden muss.

Die VW-Konzernmarken VW Škoda, Audi und SEAT haben auf ihren offiziellen Websites Abfragemöglichkeiten eingerichtet. Dort kann mittels der Fahrgestellnummer abgefragt werden, ob das betreffende Fahrzeug eines derjenigen ist, die zurückgerufen werden müssen.
Diese Autos werden dann mit technischen Maßnahmen, die derzeit ausgearbeitet werden, auf einen Stand gebracht, der die Abgaswerte innerhalb der vorgeschriebenen Normen bringt. Das wird für die Fahrzeughalter kostenlos sein.
Nähere Details gibt es dazu noch nicht – nur dass die Rückholungen wahrscheinlich Anfang 2016 beginnen werden, haben wir mittlerweile erfahren.
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„DieselGate“: Skandal mit Vorlaufzeit

Vorgeschichte in Europa

Die Bombe, die da über Wolfsburg detoniert ist, war eine Zeitbombe – seit fast eineinhalb Jahren hörten die VW-Manager sie ticken.

2013 fasste die EU-Kommission ihren Verdacht, dass Autohersteller bei der Typenzulassung schummeln, in einer Studie zusammen. Vergleichsdaten wollte man sich aus den USA holen, wo Dieselmotoren wegen der strengeren Normen eigentlich im Alltagsbetrieb sauberer sein sollten als in Europa.
Man tat sich mit der Universität von West Virginia zusammen. Deren Forscher haben Ende der 1990er bei einem ähnlichen Fall bereits einige Lkw-Hersteller in Schwierigkeiten gebracht.
Im Echtbetrieb wurden drei Dieselautos getestet, darunter zwei VW-Fahrzeuge. Und diese zwei lieferten erstaunlich schlechte Werte.

Schlafende Hunde

Nach einem Jahr Auswertung präsentierten die Akademiker im August 2014 ihre Ergebnisse. Eine Erklärung für die schlechten Werte der VW-Fahrzeuge hatten sie nicht. Die Motor-Software blieb unentdeckt. Und die Öffentlichkeit nahm davon wenig Notiz. Umso genauer hörten zwei US-Behörden zu.
Die Environmental Protection Agency (EPA) und die besonders humorlosen Jagdhunde des California Air Resources Board (CARB) führten eigene Tests durch und verlangten von Volkswagen Erklärungen. Die fielen nicht überzeugend aus.
Der öffentlichen Enthüllung der Ungereimtheiten durch die EPA kam man mit einem „Geständnis“ zuvor. Noch einen Monat später schickte die US-Umweltbehörde dann den Strafzettel. Sie tat das mit großer Publicity, und zeitgerecht zur Vorstellung des neuen VW Passat in Amerika. Dieser eigenartige Zufall brachte manchen Beobachter zum Schmunzeln. Bei VW lacht niemand über „DieselGate“.

Und jetzt…

Unmittelbar droht VW eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar, mittelbar kommen Sammelklagen von Kunden und Händlern auf das Unternehmen zu. Dazu kommt der Einbruch der VW-Aktie. Und natürlich der Imageverlust, der sich in den Verkaufszahlen unweigerlich niederschlagen wird.
Die TDI-Fahrzeuge in den amerikanischen Schauräumen sind jedenfalls über Nacht zum Ballast geworden: Die 2015er-Modelle werden nicht mehr verkauft, dem 2016er-Modell verweigern die US-Behörden die Zulassung.
Die Auswirkungen im Konzern sind bereits spürbar: die Volkswagen-Gruppe hat einen neuen Chef.
Auch in Europa schlagen Amtsträger und Politiker aggressive Töne gegen VW und die gesamte Autoindustrie an. Die gilt ohnehin schon lang nicht mehr als sexy, aber man braucht sie halt. Denn sie gibt beinahe sechs Prozent der arbeitenden Bevölkerung der EU einen Job.
Hier hat Volkswagen großen Schaden angerichtet: Das öffentliche Image der Autobauer rasselt in den Keller. Und populistische MundwerkerInnen aller Couleurs melden sich zu Wort.
Es wäre wünschenswert, dass diese Drohrituale am Schluss nicht nur politisches Kleingeld einbringen, sondern auch etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Zum Beispiel: Praxisnahe Abgas- und Verbrauchstests für zukünftige Neuwagen, egal mit welchem Antrieb.

Diesel, adieu?

Das Weltprodukt TDI war ein Baustein in der Volkswagen-Strategie für Amerika. Man spielt am Automarkt der USA lange nicht dieselbe Hauptrolle wie in Europa; die Muttermarke tut sich bei Absatz und Image schwerer als die noble Tochter Audi.
Sparsamer Betrieb mit Fahrspaß und niedrigen Emissionen, ganz ohne Additive: Das war die Schlagrichtung der VW-Werbekampagne für den „Clean Diesel“. Man wird jetzt umdenken und den Hybridantrieb forcieren müssen. Das kommt wohl auch in Europa auf uns zu.

„DieselGate“: Was bisher geschah

Nochmals zum Mitschreiben

Der Konzernchef ist zurückgetreten, die Aktie ist im Keller, und die Welt spricht vom Abgas-Skandal – aber worum geht’s eigentlich?

Zum Verfahren der Zulassung eines neuen Fahrzeugtyps gehört auch die Ermittlung des Verbrauchs und Abgasausstoßes des Fahrzeugs. Damit die Ergebnisse vergleichbar sind, gibt es normierte Tests mit gewissen Fahrzyklen. Also: Wie lange wie schnell gefahren wird, wie stark beschleunigt wird, welche Nebengeräte (Heizung, Klima,…) wie lange eingeschaltet sind, usw.
Die Tests in Europa, den USA und anderen Weltgegenden sind voneinander unterschiedlich, nicht nur im Ablauf, sondern auch in den Konsequenzen. VW wird vorgehalten, bei der Motorenfamilie EA 189 mit Hilfe der Motorelektronik die Tests ausgetrickst zu haben:
Die Software erkennt den genormten Messzyklus und stellt den Motor auf abgasoptimierten Betrieb um; wenn der Computer merkt, dass wieder „normal“ gefahren wird, schaltet er alle Limits weg. Der Motor bringt seine volle Leistung, auf Kosten der Abgasbilanz.

Wann ist legal legal?

Der europäische Test findet unter Aufsicht der jeweiligen nationalen Behörde statt, und das Testfahrzeug muss natürlich die Emissions-Grenzwerte einhalten – aber nur im Moment des Tests selbst. Das gilt auch für die später punktuell durchgeführten Überprüfungen an Fahrzeugen aus der Serienproduktion.
In Amerika führt der Hersteller selbst den Test durch und legt die Daten vor. Er garantiert aber, dass das Auto den Normen entspricht – nicht nur im Moment des Tests, sondern immer. Und das sind die betroffenen TDI-Autos eben nicht, wenn man den Vorwürfen Glauben schenken will.
Die amerikanischen Pkw-Abgasnormen gehen mit dem Diesel strenger um als die europäischen; zumeist setzen die Hersteller auf andere, teurere Katalysatoren und ein Harnstoff-Additiv. Das macht die Fahrzeuge auch in der Herstellung teurer.
Die europäische Autoherstellervereinigung war mit ihrem Dementi schnell zur Hand: die Causa VW sei ein Einzelfall. Und BMW, von amerikanischer Seite ebenfalls wegen Abgas-Sünden ins Fadenkreuz genommen, schickte ebenso schnell ein Dementi aus.
Nicht nur die Bayern können sich darauf gefasst machen, dass sie demnächst genauestens unter die Lupe genommen werden. Und einige europäische Staaten haben rechtliche Prüfungen angekündigt.
Das VW-Management hörte dieseZeitbombe übrigens schon eine ganze Weile ticken.

Welche Fahrzeuge?

Laut VW geht es um insgesamt fünf Millionen Autos, sagt der neue VW-Konzernchef Matthias Müller. Das sind „zum Beispiel“ die sechste Generation des Golf, die siebente Baureihe des Passat und das erste Modell des Tiguan mit dem entsprechenden TDI-Motor. Alle aktuellen Neufahrzeuge, die der Emissionsnorm Euro 6 entsprechen, sind nicht betroffen.

Industrie gegen Anti-Diesel-Gesetze

Diesel im Out?

Vor 20 Jahren das Wundermittel für „grünere“ Mobilität, heute im Fadenkreuz der Obrigkeit: Wird der Dieselmotor verteufelt?

Das meint zumindest der europäische Autohersteller-Verband ACEA. Der Anlass: Ausgerechnet Frankreich, einer der wichtigsten Dieselmotor-Produzenten der Welt, hat die aktuellen Euro-6-Dieselmotoren nicht in seine Kategorie der umweltfreundlichsten Antriebe aufgenommen.

Foto: Audi
Foto: Audi

Damit dürfen auch die neuesten Dieselfahrzeuge z.B. nicht in Umweltzonen (Innenstädte etc.) fahren und müssten höhere Steuern zahlen.
Das betrifft brandaktuelle Autos – ab 1. September müssen alle zum Verkauf angebotenen Neufahrzeuge dem Euro-6-Standard entsprechen.
Es gebe keinen Grund für eine Diskriminierung der Diesel-Technologie, sagt der ACEA Generalsekretär Erik Jonnaert; sowohl vom Umwelt- als auch vom Gesundheits-Standpunkt mache dies keinen Sinn und könne sich auf die Mobilität in Städten, vor allem für den Berufsverkehr, nachteilig auswirken.

Fairness ist gefragt

Euro-6-Diesel sind laut Jonnaert dank ihres niedrigen CO2-Ausstoßes essentieller Bestandteil der Strategie zum Erreichen der EU-Emissionsziele für 2021. Es brauche jetzt rasch faire rechtliche Grundlagen für den vorgeschriebenen „Real Driving Emissions“-Test (RDE); ohne ihn sei es der Industrie unmöglich zu zeigen, dass Euro-6-Diesel auch einen geringen NOx-Ausstoß haben, sagt der ACEA-General.
Mitglieder der ACEA sind die BMW Group, DAF Trucks, Daimler, Fiat Chrysler Automobiles, Ford of Europe, Hyundai Motor Europe, IVECO, Jaguar Land Rover, Opel Group, PSA Peugeot Citroën, Renault Group, Toyota Motor Europe, Volkswagen Group, Volvo Cars und Volvo Group.
Übrigens: Das große Bild zeigt den Peugeot 404 Diesel Record des Jahres 1965, mit dem damals in Montlhéry insgesamt 40 Weltrekorde aufgestellt wurden.