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Neuester der alten Jaguare: D-Type

Über kurz oder lang

Nach kleiner Unterbrechung nimmt Jaguar Land Rover Classic wieder den Aluminiumhammer zur Hand und baut die restlichen 25 Stück.

Vielleicht der berühmteste aller Jaguare: D hat mit Diesel nix zu tun. Sein Vorgänger hieß C-Type (C für Competition), und D kommt halt nach C.
Ab 1954 machte der D-Type sich und seiner Marke vor allem bei den 24 Stunden von Le Mans einen Namen. Für die langen Geraden dort war er maßgeschneidert.

Foto: Jaguar Land Rover

Diese Nase!

Die Früheren untherscheidet man von den Späteren optisch am Naserl. Ab 1956 schmiegte sich der um den XK-Sechszylinder herum modellierte Vorderwagen zärtlicher in den Wind, das war die Variante Longnose.
Das war auch das Jahr des ersten Sieges in Le Mans, aber erst nach dem Rückzug der Sterne wegen der Tragödie in Runde 35. Am Erfolg 1956 gab es dann nichts zu mäkeln, und ein Jahr später kam die private Ecurie Ecosse dran.

Foto: Jaguar Land Rover

Restposten

Ende 1956 nahm sich das Werk für einige Jahre Urlaub vom Motorsport, damit endete auch die Produktion des D-Type. Weil von den geplanten 100 noch 25 Chassis herumstanden, offerierte man für Amerika den XKSS, praktisch das ungezähmte Rennauto mit Shortnose und Fetzendach – für damalige Verhältnisse ein Hypercar à la Pagani.
Neun XKSS wurden fertig, aber keiner schaffte es aus der Fabrik, denn die brannte 1957 ab. Damit ist Jaguar quasi der Welt noch 25 D-Type schuldig. So ein Glück aber auch, dass Jaguar Land Rover eine eigene Classic-Abteilung hat!

Foto: Jaguar Land Rover

Nicht Replika, sondern Continuation: man baut die ursprünglich geplante Serie fertig. Das hat man schon mit den sechs ausständigen E-Type Lightweight gemacht, und auch mit den neun XKSS. Damit fallen eigentlich neun der D-Type-Chassisnummern weg (denn aus denen wurden ja die XKSS), aber wer wird das nach über 50 Jahren so streng nehmen?

25 Stück

…entstehen also in Handarbeit, und die Kundschaft hat die Wahl. Nicht zwischen Limousine oder Kombi, sondern zwischen Kurz- oder Langnase. Die Autos entsprechen in jedem Detail den damaligen Autos vom Competitions Department und sind wahrscheinlich besser, als die es jemals waren.

Foto: Jaguar Land Rover

Einen Preis haben sie dann sicher auch. Günstiger als eines der Originale werden sie jedenfalls sein. Ein 1955er ging vor zwei Jahren bei einer Auktion für 19,8 Millionen Dollar zuzüglich Gebühren über den Ladentisch.
Wie sich das damals gefahren hat, erklärt uns – live aus dem Jahr 1956 – der Vorjahressieger Mike Hawthorn. Übrigens: Der „terrible accident“, von dem er da spricht, war das Mercedes-Desaster mit über 80 Toten, an dem auch Mister Hawthorn selbst nicht unschuldig war.

Motorsport-Tragödie: Le Mans 1955

Ein schwarzer Tag

Vor sechs Jahrzehnten verloren beim bislang schwersten Motorsport-Unfall über 80 Menschen ihr Leben – und retteten unzählige andere.

Der Auslöser war ein Fahrfehler; der Hintergrund war die Rivalität von Jaguar und Mercedes-Benz, und – nur zehn Jahre nach dem Weltkrieg – die immer noch heiklen Beziehungen zwischen Deutschen und Briten.

Foto: Jaguar
Foto: Jaguar

Foto: Daimler
Foto: Daimler

Nach dem überraschenden Sieg 1952 und einer schöpferischen Pause (die man für die Formel 1 nutzte) war Mercedes-Benz 1955 wieder zurück in Le Mans. Hier hatte Jaguar vor zehntausenden britischen Zuschauern quasi ein Heimspiel.
Jaguars Nummer-1-Pilot hieß Mike Hawthorn. Und er sagte quasi im Alleingang den Silberpfeilen den Kampf an. Aus persönlichen Motiven, denn die Erinnerungen an den Krieg waren auch für ihn noch frisch. Seine Spitfire hieß D-Type.
Genau wie Jaguar hatte auch Mercedes-Benz drei Autos am Start. Der 300SLR war ein notdürftig getarnter Formel-1-Wagen.
Die Grand-Prix-Stars Juan Manuel Fangio und Stirling Moss bildeten das „Dream Team“, daneben setzte man auf Sportwagen-Routiniers. Einer von ihnen war Pierre Bouillin, besser bekannt unter seinem Pseudonym: Levegh.

Grün gegen Silber

Nach dem Start um 16 Uhr zog Hawthorn vorne weg, Fangio ging das eigentlich unvernünftige Tempo mit, alle anderen hatten somit keine Wahl.

Foto: Daimler
Foto: Daimler

Foto: Daimler
Foto: Daimler

Weil’s so spannend war, blieben auch die Zuschauerbereiche gefüllt – umso schlimmer die Konsequenzen aus Hawthorns verhängnisvollem Fehler nach 28 Minuten.
Er verschätzte sich bei der Zufahrt zur Jaguar-Box (damals gab es noch keine Boxenmauer) und touchierte ein langsameres Fahrzeug.
Das wiederum kam Levegh vor die Räder; sein Mercedes stieg nach dem Anprall auf und zerschellte auf dem Erdwall, der als einziger Schutz die Strecke von den Zuschauern trennte.
Die Explosion und herumfliegende Trümmer kosteten nicht nur ihm, sondern auch über 80 weiteren Menschen das Leben. Mehr als 90 wurden verletzt. (Über die genauen Opferzahlen gibt es verschiedene Angaben.)
Das Rennen ging weiter – hätte man abgebrochen, wäre für die Helfer kein Durchkommen mehr gewesen.
Hätte Mercedes-Benz gewonnen? Was hätten die französischen und britischen Medien zum deutschen Sieg „über Leichen“ gesagt? Es kam nicht dazu: Moss/Fangio lagen deutlich in Führung, als Mercedes-Benz sich am Sonntag um 2 Uhr zurückzog und abreiste.

Die Folgen

Gerüchte über illegalen Sprit kursierten eine Weile, medialer Sündenbock in Frankreich war jedoch ausgerechnet Pierre Levegh (Bild), der wohl am wenigsten Verantwortliche.

Foto: Daimler
Foto: Daimler

Die Presse in Frankreich und Deutschland schoss sich auch auf den angeblich gefühlskalten Mike Hawthorn ein. Denn der schien knapp 24 Stunden später seinen Sieg (gemeinsam mit Ivor Bueb) doch auffallend ausgelassen zu feiern.
Hawthorn lehnte später jede Verantwortung für den Unfall ab. Er war 1958 für Ferrari der erste britische Formel-1-Weltmeister und starb einige Monate später bei einem Verkehrsunfall.
Mercedes-Benz erreichte 1955 alles Erreichbare, der (fast) komplette Rückzug aus dem Rennsport war bereits geplant, die Ereignisse in Le Mans machten die Entscheidung wohl noch leichter.
Im weiteren Verlauf des Jahres wurden rund um die Welt etliche rennen abgesagt; in der Schweiz wurden Rundstreckenrennen verboten. In Le Mans baute man eine Boxenmauer.
Unter dem Eindruck dieser Katastrophe begann erstmals eine ernsthafte Diskussion über mehr Sicherheit, für die Zuschauer, aber auch die Aktiven. Heute ist der Motorsport für Zuschauer und Fahrer sicherer denn je. Diese Entwicklung begann am 11. Juni 1955.