Echte englische Sportwagen sterben nie – irgendwann tauchen sie wieder auf, teurer als je zuvor!
25 Stück wollte Jaguar bauen, dann kam etwas dazwischen: Neun Exemplare des XKSS wurden nie gebaut. Bis jetzt: „Continuation“ heißt die Zauberformel – nichts auf alt getrimmtes Neues, sondern neu gebautes Altes.
Der Hersteller nennt ihn, vielleicht etwas vollmundig, das „erste Supercar der Welt“. Auf den Expertenstreit sind wir gespannt! Ein Supercar war der Jaguar XK-SS vor 59 Jahren in jedem Fall. Nämlich ein kaum domestizierter D-Type. Rennauto für die Straße: Der 3.442 Kubikzentimeter großen Reihen-Sechszylinder erzeugte 253 PS bei einem Leergewicht von knapp über 900 Kilo. (Dank moderner Fertigungstechniken werden sich, davon sind wir sicher, heutzutage mindestens 254 PS machen lassen.) Das war gut für Geschwindigkeiten bis 270 km/h – heute noch überaus flott, im Jahr 1957 war es außerirdisch. Zum 60-Jahr-Jubiläum soll der erste der neun neuen XKS ausgeliefert werden, in Handarbeit gebaut und mit exakt denselben Spezifikationen wie die 1957er-Fahrzeuge. Zu einem Stückpreis von über einer Million Pfund.
Was bisher geschah
Die frühere Firma „Swallow Sidecars“ richtete nach dem WK2 ihre sportlichen Ambitionen primär auf Le Mans. Dort beanspruchte man sozusagen das Erbe der Bentley Boys der Vorkriegszeit. Und das gelang nach ein paar Stolperern dann tadellos:
1954 bis ’57 gehörte der Sieg im Grand Prix de l’Endurance dem famosen D-Type aus Coventry. Mit Kurz- oder Langnase, mit oder ohne Haifischflosse – das Werksteam und die Ecurie Ecosse waren von 1955 (wo man im Mercedes-Crash eine unrühmliche Rolle spielte) bis 1957 unschlagbar. Anfang dieses Jahres wurde eine Kleinserie von 25 Stück als Straßenfahrzeug primär für den amerikanischen Markt aufgelegt. 16 XKSS fanden tatsächlich den Weg zu ihren Käufern, ehe das Jaguar-Werk durch einen Großbrand schwer beschädigt wurde. Das war mit ein Grund für Jaguars Rückzug aus Le Mans; man hatte schlicht andere Sorgen. Jetzt macht Jaguar Land Rover das Geschichtsbuch wieder auf, blättert ein paar Seiten zurück und erweckt die verbliebenen neun Chassisnummern zum Leben. Das hat man schon beim E-Type Lightweight getan.
Die Stuttgarter präsentieren Fotos vom erfolgreichen Hybrid-Aggregat, welches in Teilen auch in die Serienproduktion übernommen wird.
Porsche zeigt erstmals detailierte Aufnahmen des 919-hybrid-Motors, welcher letztes Jahr im Einsatz war und der deutsche Sportwagenschmiede zum Gesamtsieg in Le Mans verhalf. Der Vierzylinder-Turbomotor mit Hybridantrieb sei das „effizienteste Triebwerk, das Porsche je gebaut hat.“ Der 90 Grad V-Motor soll nun auch in der Serie Anklang finden: Der Boxer des 718 Boxster soll zukünftig den Zylinderabstand, die kurzhubige Auslegung und die zentrale Benzindirekteinspritzung übernehmen. Der erfolgreiche Rennmotor muss aber in dieser Saison Abstriche hinnehmen: Das Reglement schreibt eine geringere Energiemenge aus Kraftstoff pro Runde vor und reduziert die maximale Durchflussmenge. Das bedeutet rund 8 Prozent Leistungsverlust, in Summe bleiben aber immerhin beachtliche 500 PS. Addiert man die Leistung des Hybrid-Systems dazu, wird der 919 immer noch von rund 900 PS beschleunigt. Fotos: Porsche
Stunden, Liter, Kilometer: Was die Profis der Sportwagen-WM können, bringen wir schon lange zusammen!
Die Spannung steigt. Der Blick ist auf den Tacho geheftet. Wir wollen’s wissen: Wie unvernünftig fährt das Vernunft-Auto par excellence, wenn man es bittet? Und: Wann läutet das Telefon? Wir rechnen jeden Moment mit einem Anruf aus Toyota City, weil der Bordcomputer sich beim Werk über uns beschwert hat. Nichts geschieht. Eine eigentümliche Ruhe überkommt uns.
Wir sind im Auge des Sturmes. Die Anzeige steht bei 195! – Selbstverständlich spielt sich all das auf einer Autobahn hinter Passau ab, wo’s erlaubt ist. Den Regen, der uns das Wochenende über begleiten wird, haben wir noch nicht eingeholt. Es ist Nacht, wir haben schon einen Arbeitstag hinter uns und noch gut einen halben Reisetag vor uns. 1.442 Kilometer von Haus zu Haus sollen es laut Navi sein, insgesamt werden wir an den fünf Reisetagen knapp 3.100 Kilometer abspulen. Mit Hybrid! Denn immerhin sind die schnellsten Boliden bei den 24 Stunden von Le Mans mit dem Doppelantrieb ausgerüstet. „Hybrid = fad“ gilt schon lange nicht mehr. Und was für Alex Wurz gut genug ist…! Die LMP1-Boliden beziehen schon über 15 Prozent ihrer Antriebsenergie aus dem Hybrid-System. Wir bezogen, das verraten wir gleich vorweg, im Durchschnitt 5,8 Liter Benzin pro 100 Kilometer von der Zapfsäule. Und das trotz flotter Gangart durch die Bundesrepublik.
Uns bleibt immer Paris
Von wem war die Idee mit dem Foto vor dem Eiffelturm? Die Frage ist ohne Handgreiflichkeiten nicht mehr zu klären. Wir stecken fest. Im Stau der französischen Metropole. Unglückliche Gesichter, wohin man sich auch wendet. Gleich und brüderlich, aber momentan unfrei. Allein der Prius ist zufrieden. Er dreht den Benzinmotor ab und zuzelt eine Weile am Nickel-Metallhydrid-Akku. Er war, um ehrlich zu sein (und verraten Sie’s ihm nicht!), für unsere Reise nicht die erste Wahl.
Einen Prius+ oder Auris TS hätten wir uns gewünscht. Die offerieren gleiche oder bereits weiter entwickelte Antriebstechnik in praktischerer Verpackung. Mit mehr Platz für Fracht und Passagiere. Wir haben quasi Gepäck für vier Personen an Bord, mit Ausrüstung für drei Wetterlagen (eine weise Entscheidung) und umfangreichem Foto-Equipment. Der klassische Ur-Prius mit seinem charakteristischen Schwung im Dach bietet einen eher seichten Gepäckraum. Die Sitzposition hinter dem tief angesetzten Lenkrad ist ab einer gewissen Körpergröße (zum Beispiel: meiner) unentspannt. Aber wir passen uns an ihn an, und er sich an uns. Man lernt einander schätzen, wie das auf langen Reisen oft so ist. Nach Stunden verschwindet Paris endlich im Rückspiegel. Griff in den mit Kleingeld gefüllten Riesenbecher im Geränkehalter: Die Republique Francaise bittet um gar nicht so milde Spenden für die Benützung ihrer Autobahnen. Die sind zum Dank dann auch fabelhaft ausgebaut. Abseits der Autoroute werden die Wegweiser dann irgendwann verräterisch: Arnage, Mulsanne, Les Hunaudiéres. Wir sind fast da.
Im blauen Lager
Man trifft sich bei einer Waschstraße. Die jungen Engländer säubern ihren angegrauten Rover Tomcat vom Dreck einer Reise durch den Wolkenbruch (britischer Sommer!), wir befreien unseren Toyota von seiner Insekten-Panier. Die zwei haben heute schon viel gesehen. Durch das Städtchen Arnage gleich neben Le Mans wälzt sich rollendes Material aller Alters-, Leistungs- und Preisklassen. Von Ford GT bis Golf GTI, R4 bis Evo X, Transit bis Eldorado. Von vielen fordert das zahlreiche Publikum einen Burnout ein; der Prius wird höflich durchgewinkt.
Einige Chancen auf Fotomotive mit Lokalkolorit haben wir verpasst, wie die Anreise über die „Ligne Droite des Hunaudiéres“. Die einst längste Gerade des Motorsportes ist das Jahr über eine Bundestraße. Jetzt ist sie gesperrt. Oder die technische Abnahme der Rennautos im Zentrum von Le Mans. Die 250.000-Seelen-Metropole, quasi ein französisches St. Pölten oder Wels, ist hübsch (mit Stadtmauer, Fluss, handelsüblicher Kathedrale etc. etc.) und für die meisten von uns uninteressant. Wir kommen wegen des Circuit de la Sarthe: Ein knapp 16 Kilometer langes Asphaltband zwischen Flugplatz, Kaserne und Stadion. Staubig, laut und etwas zernepft. Auf Sommerfrische fährt man hierher nicht. Fahren kann man übrigens auch mit dem Zug.
Der Vorteil: Eine Eisenbahn muss man nicht parken. Per TGV ab – wo sonst? – Paris bis Le Mans, dann mit der fabelhaften Straßenbahn direkt zum Haupteingang: Der Eintritt fürs Wochenende kostet nur 72 Euro. Hallo, Formel 1! So geht Publikumsnähe! Wir haben es nicht ganz so nah. Denn wir müssen unseren Prius unterbringen und stauen uns deshalb durch zum „Parking Bleu“. Der Prius beweist Wendigkeit und, dank Heckkamera, gute Übersichtlichkeit beim Rangieren. Unser Marsch zum Streckentürl dauert seine zwanzig Minuten. Wozu brauchen Fotografen all dieses schwere Zeugs? Ich halte das für Prahlerei.
Die lange, lange Nacht
Viele kommen wegen der Party. (Und wachen erst Montag früh wieder auf.) Oder sie genießen die Atmosphäre irgendwo zwischen Goodwood und Oktoberfest mit Museum und Schanigärten, unbezahlbaren Fahrzeugen und überteuerten Getränken. Und dann gibt es die Anderen! Die eine Alpine A450b am Klang erkennen. Die begreifen, was der Index der thermischen Effizienz ist. (Fragen Sie nicht!) Die von Ed Hugus gehört haben und Ihnen erzählen können, was der mit Jochen Rindt zu tun hat.
(Fragen Sie nur, wenn es Sie wirklich interessiert!) Die wissen, wie oft der Toyota TS040 von Alex Wurz pro Runde Energie rekuperiert und wieder abgibt. Wenn der Rest der Meute bewusstlos ist, gehört Le Mans ihnen. Sie wären kaum erstaunt, käme Pierre Levegh im Mercedes SLR bei Start und Ziel vorbei. Oder Jo Gartner im Porsche 962C, oder Roland Ratzenberger im Toyota 93C-V. Die komplexesten Maschinen der Gegenwart jagen dasselbe Morgengrauen wie alle anderen vor ihnen, seit 1923. Einige haben es nicht gefunden. Heuer dürfen wir aufatmen: Liegengeblieben sind zum Glück nur Autos.
Tage später
Le Mans versinkt wieder einmal im Gatsch. „Parking Bleu“ ist die blaue Lagune. Unser Prius zieht sich tadellos aus der Affäre, und uns aus dem Dreck. Mit E-Antrieb und beachtlicher Bugwelle zurück aufs Festland, und dann – in den nächsten Stau! Während unsere Schuhe trocknen, feiert irgendwo hinter uns Porsche den hochverdienten ersten Le-Mans-Sieg seit 1998, ist Alex Wurz Sechster, trauert Mathias Lauda einem Klassensieg nach, steht Dominik Kraihamer am Podium.
Wir halten uns von der kleingeldfressenden Autobahn fern; die Route Nationale lässt genau den Tempobereich zu, in dem der Toyota Prius sich am allerwohlsten fühlt, so um die 100 km/h. Letzter Halt am Weg zurück in den Alltag: In der Nähe von Reims wurde bis 1966 der Grand Prix von Frankreich gefahren; 1967 gewann Jochen Rindt hier noch ein Formel-2-Rennen. Heute sind das Boxengebäude, die Tribüne und die alte Rundenanzeige an der Landstraße die einzigen Überbleibsel des Circuit Reims-Gueux. Die Geisterstrecke ist eines von vielen Zielen für automobiles Sightseeing am Weg von Wien nach Le Mans. Monthléry und Hockenheim liegen direkt an der Reiseroute, zum Peugeot-Museum in Paris-Socheaux ist es kein großer Umweg. Feinspitze reisen via Nürburg und Spa. Vielleicht schon nächstes Jahr? Bitte vormerken: Die 24 Stunden von Le Mans starten am 18. Juni 2016. Fotos: Robert May
Die Renaissance von Alpine kommt nicht so recht ins Rollen – aber eine rollende Studie hat sich in Le Mans vorgestellt.
Der Größenvergleich ist entlarvend: Die originale Alpine A110, immer noch eines der schönsten Autos aller Zeiten, wirkt winzig im Vergleich zum Konzept, das wohl einen recht deutlichen Ausblick auf das gibt, was unter dem Traditionsnamen vom Band laufen soll.
Der Neubeginn bei Alpine ist bislang holprig verlaufen, aus einer unglücklichen Liaison mit Caterham musste man sich erst wieder befreien. Ist diese Studie ein Vorgeschmack auf das lang erwartete Serienmodell? Der Ort der Premiere ist jedenfalls nicht zufällig gewählt. Die französische Sportwagenmarke ist wahrscheinlich am besten für ihre Rallye-Erfolge mit der A110 bekannt, aber die blauen (und unter Renault-Kontrolle später gelben) Wunder aus Dieppe haben in Le Mans eine große Tradition.
Leichtbau statt Schwermetall
Ein Name wie VÖEST-Stahl, aber er täuscht: Jean Rédélé benannte seine leichtgebauten Eigenerzeugnisse im Jahr 1955 nach seinem Sieg bei der Coupe des Alpes im Jahr zuvor. (Und begann damit eine lange Verwechslungskomödie mit den Alpine-Modellen von Sunbeam.)
Der Renault-Händler vertraute von Anfang an auf Technik aus dem Regal der „Régie“. Damit geriet seine Firma auch auch langsam, aber sicher in die Anziehungskraft des Konzerns. Ab 1963 trat Alpine auch bei den 24 Stunden von Le Mans an. Beginn mit Schmerzen: Der Brasilianer Christian „Bino“ Heins verlor bei einem Unfall sein Leben, als bis heute (und hoffentlich für immer) einziger Alpine-Werksfahrer. Rédélés kongenialer Partner war alsbald der Motorenzauberer Amédée Gordini; gemeinsam mischten sie mit den blauen „pocket rockets“ M64, M65 und A210 die hubraumschwachen Klassen auf. Ab 1967 versuchte man sich in der Champions League, und das ging schief. Mit Gordinis Dreiliter-V8 sollte der gestreckte blaue Blitz A220 gegen die Supermächte von Ford, Ferrari und Porsche bestehen, erwies sich jedoch als Pleite. Die Zeit der „Kleinen“ in Le Mans ging langsam zu Ende, Rédélé konzentrierte sich nach 1969 auf die Rallye-Szene. Und das zu Recht: 1973 gewann man die Rallye-WM. In selben Jahr übernahm Renault die Kontrolle über Alpine.
Gelb statt Blau
Noch in Alpine-Blau gab die Marke 1975 ein vorsichtiges Comeback beim Grand Prix d’Endurance, aber Renault wollte mehr.
1976 hatte der Prototyp namens A442 eine aufgeladene Variante des Zweiliter-V6-Motors unter der Haube, französische Formel-1-Stars am Steuer und als äußerliches Zeichen der Veränderung die Renault-Werksfarbe: Alpine trug jetzt Gelb. Er folgten zwei Jahre zum Vergessen, mit Technik-K.O. und Schlammschlachten der Grand-Prix-Primadonnen. 1978 war die letzte Chance: Zwei neue A443 machten ihren Vorgängern alle Ehre und fielen wieder ihrer eigenen Technik zum Opfer. Aber es gab einen Plan B, und der ging auf: Die Sieger hießen Jean-Pierre Jaussaud und Didier Pironi mit einem überarbeiteten A442B, heute noch leicht erkennbar mit seinem „Bubble Top“ aus Plexiglas. Die Rallye-Asse Jean Ragnotti und Guy Fréquelin lieferten als Draufgabe Platz 4 ab. Das war genug: Ab 1979 agierte Renault nur mehr in der Formel 1. Erst 2013 stand mit der A450 wieder eine Alpine am Start der 24 Stunden von Le Mans – wieder in Blau.
Vor sechs Jahrzehnten verloren beim bislang schwersten Motorsport-Unfall über 80 Menschen ihr Leben – und retteten unzählige andere.
Der Auslöser war ein Fahrfehler; der Hintergrund war die Rivalität von Jaguar und Mercedes-Benz, und – nur zehn Jahre nach dem Weltkrieg – die immer noch heiklen Beziehungen zwischen Deutschen und Briten.
Nach dem überraschenden Sieg 1952 und einer schöpferischen Pause (die man für die Formel 1 nutzte) war Mercedes-Benz 1955 wieder zurück in Le Mans. Hier hatte Jaguar vor zehntausenden britischen Zuschauern quasi ein Heimspiel. Jaguars Nummer-1-Pilot hieß Mike Hawthorn. Und er sagte quasi im Alleingang den Silberpfeilen den Kampf an. Aus persönlichen Motiven, denn die Erinnerungen an den Krieg waren auch für ihn noch frisch. Seine Spitfire hieß D-Type. Genau wie Jaguar hatte auch Mercedes-Benz drei Autos am Start. Der 300SLR war ein notdürftig getarnter Formel-1-Wagen. Die Grand-Prix-Stars Juan Manuel Fangio und Stirling Moss bildeten das „Dream Team“, daneben setzte man auf Sportwagen-Routiniers. Einer von ihnen war Pierre Bouillin, besser bekannt unter seinem Pseudonym: Levegh.
Grün gegen Silber
Nach dem Start um 16 Uhr zog Hawthorn vorne weg, Fangio ging das eigentlich unvernünftige Tempo mit, alle anderen hatten somit keine Wahl.
Weil’s so spannend war, blieben auch die Zuschauerbereiche gefüllt – umso schlimmer die Konsequenzen aus Hawthorns verhängnisvollem Fehler nach 28 Minuten. Er verschätzte sich bei der Zufahrt zur Jaguar-Box (damals gab es noch keine Boxenmauer) und touchierte ein langsameres Fahrzeug. Das wiederum kam Levegh vor die Räder; sein Mercedes stieg nach dem Anprall auf und zerschellte auf dem Erdwall, der als einziger Schutz die Strecke von den Zuschauern trennte. Die Explosion und herumfliegende Trümmer kosteten nicht nur ihm, sondern auch über 80 weiteren Menschen das Leben. Mehr als 90 wurden verletzt. (Über die genauen Opferzahlen gibt es verschiedene Angaben.) Das Rennen ging weiter – hätte man abgebrochen, wäre für die Helfer kein Durchkommen mehr gewesen. Hätte Mercedes-Benz gewonnen? Was hätten die französischen und britischen Medien zum deutschen Sieg „über Leichen“ gesagt? Es kam nicht dazu: Moss/Fangio lagen deutlich in Führung, als Mercedes-Benz sich am Sonntag um 2 Uhr zurückzog und abreiste.
Die Folgen
Gerüchte über illegalen Sprit kursierten eine Weile, medialer Sündenbock in Frankreich war jedoch ausgerechnet Pierre Levegh (Bild), der wohl am wenigsten Verantwortliche.
Die Presse in Frankreich und Deutschland schoss sich auch auf den angeblich gefühlskalten Mike Hawthorn ein. Denn der schien knapp 24 Stunden später seinen Sieg (gemeinsam mit Ivor Bueb) doch auffallend ausgelassen zu feiern. Hawthorn lehnte später jede Verantwortung für den Unfall ab. Er war 1958 für Ferrari der erste britische Formel-1-Weltmeister und starb einige Monate später bei einem Verkehrsunfall. Mercedes-Benz erreichte 1955 alles Erreichbare, der (fast) komplette Rückzug aus dem Rennsport war bereits geplant, die Ereignisse in Le Mans machten die Entscheidung wohl noch leichter. Im weiteren Verlauf des Jahres wurden rund um die Welt etliche rennen abgesagt; in der Schweiz wurden Rundstreckenrennen verboten. In Le Mans baute man eine Boxenmauer. Unter dem Eindruck dieser Katastrophe begann erstmals eine ernsthafte Diskussion über mehr Sicherheit, für die Zuschauer, aber auch die Aktiven. Heute ist der Motorsport für Zuschauer und Fahrer sicherer denn je. Diese Entwicklung begann am 11. Juni 1955.
Heute fast wieder vergessen: 1995 zeigte McLaren in Le Mans, dass man mehr kann als nur Formel-1-Autos bauen.
Gemeinsam mit BMW stellte die Firma in Woking den McLaren F1 auf die Räder, das Design stammte von Gordon Murray. Im Zuge des GT-Revivals ab 1994 fand der F1 recht bald den Weg auf die Rennstrecke. 1995 gab es dann den Großangriff auf Le Mans. Dort war der Name McLaren bereits in den Siegerlisten, denn 1966 hatte der Firmengründer Bruce McLaren als Werksfahrer von Ford gemeinsam mit Chris Amon im GT40 Mk.II von Shelby American zugeschlagen. Zwei Jahrzehnte später war die Ausgangssituation an der Sarthe eine völlig andere.
Wie war das damals?
Das 24-Stunden-Rennen war auf einem Tiefpunkt seiner Popularität, die Formel 1 beanspruchte alle Schlagzeilen für sich. Nach dem Ende der Sportwagen-WM und der Gruppe C war man immer noch auf der Suche nach dem Reglement für die Zukunft. Und die neue GT1-Klasse begann bereits technisch zu eskalieren. 1994 hatte ein zum „GT1“ umgemodelter Porsche 962 gewonnen. Diese Lücke im Regelwerk war 1995 gestopft. Sieben McLaren F1 , alle noch mit „Kurzheck“, traten am 17./18. Juni an der Sarthe an. Fünf kamen ins Ziel, zwei Teams standen am Stockerl, eines auf Platz 1. Und das gleich im ersten Versuch.
U-Boote und Cruise Missiles
Das Wetter war, eh klar, fürchterlich – wenn’s in Le Mans einmal regnet, dann regnet es so richtig. Bis Sonntag früh war U-Boot-Krieg war angesagt. Den fragilen Prototypen hatten die GT-Autos auf Serienbasis vor allem ihre Haltbarkeit voraus; von 48 Autos am Start sahen nur 23 die Zielflagge. Zwei F1 fielen Unfallschäden zum Opfer.
Technik-Zores hatten fast alle, auch der knapp vor Schluss führende F1 des Altmeisters Derek Bell. Mit seinem Sohn Justin und Le-Mans-Spezialisten Andy Wallace war am Weg zum historischen Sieg; es wäre auch der erste für ein Vater-Sohn-Team gewesen. „Wäre“, denn am Auto von David Price Racing strekte das Getriebe. Davon profitierte ein noch älterer Altmeister: Mario Andretti im schnellsten der Prototypen (Courage-Porsche) wollte seine Pokalsammlung mit einem Le-Mans-Triumph komplettieren. Sein Auto hatte nach einem frühen Ausrutscher bereits einigen Rückstand. „Papa Mario“ pfiff auf die Haltbarkeit und zündete die Boden-Boden-Rakete. Andretti/Wollek/Hélary wurden immerhin Zweite hinter einem Team, mit dem nicht viele gerechnet hatten.
Ein Finne im Regen
Hinter dem Namen „Kokusai Kaihatsu Racing“ verbarg sich das britische Team Lanzante Motorsport, der Sponsor war eine japanische Schönheitsklinik. Und das Fahrzeug war was Spezielles: Chassis 001. Der älteste GTR – das Werks-Testauto – hatte zuvor Schwerarbeit als Entwicklungsfahrzeug geleistet, war aber keinen einzigen Rennkilometer gelaufen.
Die Fahrer: Yannick Dalmas, Masanori Sekiya und der J.J. Lehto. Von den Heldentaten des Finnen, nur ein Jahr nach seinem schweren Formel-1-Unfall, erzählen sich heute noch alle, die in dieser regnerischen Nacht wetterfest und nüchtern genug zum Zuschauen waren. Weitere Premieren: Sekiya war der erste japanische Le-Mans-Sieger. Und der 6.064 Kubikzentimeter große V12-Motor aus den Händen von Paul Rosche und seinem team brachte die Marke BMW erstmals in Le Mans aufs Siegerpodest. Vier Jahre später gewann dann ein „BMW-BMW“, mit einer Variante dieses Motors. Bis 1997 wurde der F1 gebaut, er hält bis heute den Rekord für das schnellste Serienauto mit Saugmotor. McLaren wandte sich mit dem neuen Partner Mercedes-Benz dem Projekt SLR zu; 2010 gündete der umtriebige Ron Dennis dann McLaren Automotive und stieg endgültig ins Supercar-Geschäft ein. Die fünf McLaren F1 GTR treten heuer erstmals seit zwanzig Jahren wieder gemeinsam auf.
„Famous Five“ nach Zahlen
Nr. 59 – Kokusai Aihatsu Racing (GB) – chassis #01R Fahrer: Yannick Dalmas (F), J.J. Lehto (SF), Masanori Sekiya (J) Quali: P9 / Ziel: P1 Nr. 51 – Mach One Racing (GB) – chassis #06R Fahrer: Derek Bell (GB), Justin Bell (GB), Andy Wallace (GB) Quali: P13/ Ziel: P3 Nr. 24 – Gulf Racing (GB) – chassis #02R Fahrer – Ray Bellm (GB), Mark Blundell (GB), Maurizio Sandro Sala (BR) Quali: P11 / Ziel: P4 Nr. 50 – Giroix Racing Team (F) – chassis #07R Fahrer: Jean-Denis Delétraz (CH), Fabien Giroix (F), Olivier Grouillard (F) Quali: P15 / Ziel: P5 Nr. 42 – Société BBA Compétition (F) – chassis #05R Fahrer: Jean-Luc Maury-Laribiére (F), Hervé Poulain (F), Marc Sourd (F) Quali: P20 / Ziel: P13
In den 1960ern gab Henry Ford II die Parole „Total Performance“ aus: Mit Cosworth-F1, Cobra, Mustang, und natürlich GT40.
Der holte sich im dritten Anlauf 1966 die ersten drei Plätze bei den 24 Stunden von Le Mans, der Beginn einer vier Jahre dauernden Siegesserie.
Auch schon wieder vor zehn Jahren baute Ford den Retro-Supersportler GT in kleiner Serie; von dem gab es quasi posthum durchaus erfolgreiche Rennfahrzeuge. Ein Werksprojekt war dies allerdings nie. Jetzt steigt der US-Gigant wieder „persönlich“ in den Ring, und das gleich in Le Mans. Rennauto für die Straße, Straßenauto für die Rennstrecke: Um den Gesamtsieg wird der neue Ford GT nicht mitreden können, er fährt in der Klasse GTE. Der „Produktionswagen“ ist aber von Anfang an auf Renntauglichkeit ausgelegt, das zeigt schon die trickreiche Aerodynamik des Mittelmotor-Coupés und die Konstruktion in Kohlefaser und Aluminium.
Die größte Überraschung
…lauert unter der Motorhaube: Nämlich nicht wie beim Klassiker GT40 und beim Retro-GT ein Achtzylinder, sondern ein V6 mit 3,5 Litern Hubraum und zwei Turbos, dazu ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe.
Der Motor ist kein Unbekannter, er läuft seit dem Vorjahr in der amerikanischen Sportwagenmeisterschaft USCC und hat unter anderem die 12 Stunden von Sebring gewonnen. Ford propagiert (fallende Ölpreise hin oder her) weiterhin seine EcoBoost-Technologie. Bemerkenswert für ein GTE-Projekt: Derzeit gibt es in der Klasse kein einziges Fahrzeug mit Turbomotor. Ford wird zweifelsohne noch bei ACO und FIA um eine bessere Leistungs-Parität der Turbos mit den Saugmotoren anklopfen. Leistung der Straßenversion: „über 600 PS“. Also auch für gebirgige Gegenden ausreichend!