Wie neu kann Neu sein, ohne neu auszuschauen? Der härteste aller Benzen ist weniger knorrig, aber weiterhin steirisch.
Der erste Blick kann durchaus täuschen. Der Mercedes G schaut noch immer aus wie ein Puch G. („Authentische Ikone“ nennt Daimler das.) Unter dem kantigen Blech hat sich viel getan. Tun müssen – denn die zulässigen Werte für Crash-Widerstand und Emissionen werden immer strenger. Ein fast 40 Jahre altes Modell hat’s da schwer.
Das Original war ein echter Steirer, auch der Neue wird in Graz gebaut. Viel komfortabler soll er sein, aber immer noch ein Klettertier. Beispiel: die Hinterachse, wo die Räder jetzt einzeln abhängen. Vorn sind sie noch in starrer Verbindung. Die Offroad-Kompetenz will Mercedes sich weiterhin nicht absprechen lassen; drei 100%-Differentialsperren stehen weiterhin bereit, und wie gewohnt auch eine Gelände-Untersetzung.
Der um fünf Zenzimeter längere Neu-G kann zehn Zenzimeter tiefer waten als bisher (jetzt 70 Zentimeter). Die Böschungswinkel (Vorne 31 Grad, hinten 30 Grad) und der Rampenwinkel (26 Grad) haben jeweils um ein Grad zugelegt. Nicht nur dem Komfort dienlich ist eine adaptive Federung. Was man nicht mehr kann: von Hand schalten. Aber die meiste Kundschaft, und davon gab es in den letzten Jahren immer mehr, fährt den G als SUV.
Die freut sich über ein viel gemütlicheres Innenleben mit Leder-Möblage (auf Wunsch in „macchiato-beige“). Bequemere Sitze denn je. Ablagen in rauhen Mengen. Und mehr Platz um die Schultern und Ellbogen. Man beginnt ganz oben, mit dem G500. Der profitiert von einem Vierliter-V8 mit zwei Turbos.
Über 300.000 Mal ist der Mercedes G in Graz vom Band gelaufen. Und das Band bleibt nicht stehen.
Ein Auto mit eigener Firma: die Mercedes-Benz G Gmbh darf sich ganz auf die Entwicklung und Serienbetreuung des Geländewagens (sagen Sie nicht „SUV“ zu ihm!) konzentrieren. Sie sitzt, so wie die gesamte Offroad-Sparte von Mercedes, in Stuttgart. Gebaut wird auch der neue G wie gewohnt in Graz. Dort wird er auch ausgiebig getestet. Knapp vor der unverhüllten Präsentation in Detroit macht Daimler uns noch ein bisserl Appetit. Mit Erlkönig-Camouflage zeigt sich der Neue am Schöckl. Äußerlich behält er alle Attribute des G, nämlich Ecken und Kanten.
Sowas kann man schwer tarnen, trotzdem haben die Mercedes-Entwickler es versucht. Der Luftwiderstand ähnelt wohl weiterhin einem Zinshaus, jetzt vielleicht um einen Stock niedriger. Eine komplette Änderung war gar nicht angesagt. Denn in den letzten sechs Jahren war der Absatz stets auf Rekord-Niveau. Unterm Blech wird aber praktisch alles anders.
Einen Vorgeschmack vom Innenleben Innenleben hat Mercedes schon gezeigt, es geht von Anfang an luxuriöser zu als im ursprünglich spartanischen und mit der Zeit aufgewerteten Original-G. Wir sehen das aktuell markentypische Cockpit mit (optionalem?) Widescreen-Display. Das Zielpublikum sind nicht mehr Hüttenwirt & Co., für die gibt es den Pickup X-Klasse. Der G spricht Sehr-gut-Verdiener mit erhöhtem Traktionsbedarf an. Er bleibt hart im Nehmen, auch dank Leiterrahmen, starrer Hinterachse, drei 100-prozentigen Differenzialsperren und Geländeuntersetzung.
Typisch österreichischer Kompromiss und erfolgreicher Misserfolg: sechs Jahrzehnte eines Wirtschaftswunderkindes.
Legenden haben wir viele, aber kaum eine lebende. In Österreich muss man ja sterben, wenn man unsterblich werden will. Zum Objekt des Nationalstolzes wurde der Steyr-Puch 500 (den Zusatz „Modell Fiat“ lassen wir gern unter den Tisch fallen) erst nach seinem Ableben, aber dafür dann umso intensiver. Im November 2017 waren noch 4.422 Steyr-Puch zugelassen. Das sind 0,1 Prozent der gesamten heimischen Pkw-Flotte. Und immerhin mehr als sieben Prozent der durch Führerschein-Rookies, Cabrio-Schnitzer, Autocrasher und den Zahn der Zeit dezimierten Gesamtproduktion.
Wirtschaft & Wunder
Nach 1945 hatte die Steyr-Daimler-Puch AG – sagen wir’s positiv – die Chance zur Neuorientierung. Zuerst hatte man nichts zu bauen, dann durfte man nicht, und letzten Endes fehlte schlicht das Geld. Als langsam, sehr langsam die Zeiten besser wurden, naschte SDP am Traum vom schnelleren Vorwärtskommen ordentlich mit. Motoren beim Weg nach oben waren auch Mopeds, Roller und Motorräder der Marke Puch. Eigene Pkw-Produktion war reine Theorie.
Steyr-Daimler-Puch wurde stattdessen der Importeur der Marke Fiat. Für Umsteiger von zwei auf vier Räder brauchte man was Kleines, Leistbares. Goggomobil, Isetta & Co. drängten auf den Markt. Eigene Projekte kamen nicht vom Fleck, bis 1957. Die Lösung: eigener (und natürlich besserer) Antrieb im Kastl aus Turin. Der Steyr-Puch offerierte bis 1966 ein festes Dach überm Kopf; das hatte der Fiat nicht. Platz gab es für bis zu vier leidensfähige Personen. Ab 1959 spreizte am Naserl ein selbstbewusstes Markenemblem seine adlerartigen Schwingen.
Heiße Ware
Flottere Varianten bekam zunächst nur die Exekutive, ab 1963 erwarb auch das zivile Publikum die 650er-Version in verschiedenen Schärfegraden. Die Sache mit dem Rennfahren war da gar nicht mehr so abwegig. 1965 gewann der Pole Sobieslaw Zasada seine Klasse bei der Rallye Monte Carlo. Ein Jahr drauf war er Europameister.
In Deutschland ging der Bergmeister-Titel ab 1964 dreimal in Folge an den Bayern Heinz Liedl. Sehr zum Ärger der deutschen Konkurrenz! Die hatte dafür in der Zulassungsstatistik die Nase vorn. Denn der Steyr-Puch war bald nicht mehr so heiß. Die Stückzahlen blieben überschaubar. In eineinhalb Jahrzehnten rollten knapp 58.000 Einheiten in Graz vom Band. Die angepeilten 15.000 pro Jahr waren auch zur besten Zeit Illusion. Trotzdem gehörte er bei uns zum Straßenbild, denn die meisten blieben im Land. Export ließ der Fiat-Vertrag kaum zu.
Kein Ende in Sicht
Ab dem Jahr ’66 wurde die gesamte Karosserie aus Italien übernommen, später auch das Getriebe. Da war die Zeit der Kleinwagen schon lang vorbei. Was überlebt hat, wird heute als Oldtimer meistens zärtlich behandelt. Es gibt auch Ausnahmen! Obwohl intakte Autos immer teurer werden, darf der Kleine auch mit 60 noch auf der Rennstrecke die Größeren vor sich her jagen. Ein paar Beispiele: Bernhard Deutsch rauft im Histo Cup sehr erfolgreich (und stets am Limit) mit Mini, BMW und Konsorten.
Harald Mössler erstürmt die Berge Europas mit einem radikalen Puch-befeuerten Renner aus den 1960ern. Größter Extremist war der bereits verstorbene Georg Pacher. Er pumpte mit modernsten Teilen und einem Kompressor 200 PS und mehr aus dem Original-Block. Aber muss man’s denn so eilig haben? Die Legende lebt, mindestens noch einmal 60 Jahre. Übrigens: In Graz gibt es ein ganzes Museum rund um die Firma des Johann Puch. Der 500 fehlt dort natürlich nicht. Ein Besuch lohnt sich. Mehr unter www.johannpuchmuseum.at