„DieselGate“: Skandal mit Vorlaufzeit
Vorgeschichte in Europa
Die Bombe, die da über Wolfsburg detoniert ist, war eine Zeitbombe – seit fast eineinhalb Jahren hörten die VW-Manager sie ticken.
2013 fasste die EU-Kommission ihren Verdacht, dass Autohersteller bei der Typenzulassung schummeln, in einer Studie zusammen. Vergleichsdaten wollte man sich aus den USA holen, wo Dieselmotoren wegen der strengeren Normen eigentlich im Alltagsbetrieb sauberer sein sollten als in Europa.
Man tat sich mit der Universität von West Virginia zusammen. Deren Forscher haben Ende der 1990er bei einem ähnlichen Fall bereits einige Lkw-Hersteller in Schwierigkeiten gebracht.
Im Echtbetrieb wurden drei Dieselautos getestet, darunter zwei VW-Fahrzeuge. Und diese zwei lieferten erstaunlich schlechte Werte.
Schlafende Hunde
Nach einem Jahr Auswertung präsentierten die Akademiker im August 2014 ihre Ergebnisse. Eine Erklärung für die schlechten Werte der VW-Fahrzeuge hatten sie nicht. Die Motor-Software blieb unentdeckt. Und die Öffentlichkeit nahm davon wenig Notiz. Umso genauer hörten zwei US-Behörden zu.
Die Environmental Protection Agency (EPA) und die besonders humorlosen Jagdhunde des California Air Resources Board (CARB) führten eigene Tests durch und verlangten von Volkswagen Erklärungen. Die fielen nicht überzeugend aus.
Der öffentlichen Enthüllung der Ungereimtheiten durch die EPA kam man mit einem „Geständnis“ zuvor. Noch einen Monat später schickte die US-Umweltbehörde dann den Strafzettel. Sie tat das mit großer Publicity, und zeitgerecht zur Vorstellung des neuen VW Passat in Amerika. Dieser eigenartige Zufall brachte manchen Beobachter zum Schmunzeln. Bei VW lacht niemand über „DieselGate“.
Und jetzt…
Unmittelbar droht VW eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar, mittelbar kommen Sammelklagen von Kunden und Händlern auf das Unternehmen zu. Dazu kommt der Einbruch der VW-Aktie. Und natürlich der Imageverlust, der sich in den Verkaufszahlen unweigerlich niederschlagen wird.
Die TDI-Fahrzeuge in den amerikanischen Schauräumen sind jedenfalls über Nacht zum Ballast geworden: Die 2015er-Modelle werden nicht mehr verkauft, dem 2016er-Modell verweigern die US-Behörden die Zulassung.
Die Auswirkungen im Konzern sind bereits spürbar: die Volkswagen-Gruppe hat einen neuen Chef.
Auch in Europa schlagen Amtsträger und Politiker aggressive Töne gegen VW und die gesamte Autoindustrie an. Die gilt ohnehin schon lang nicht mehr als sexy, aber man braucht sie halt. Denn sie gibt beinahe sechs Prozent der arbeitenden Bevölkerung der EU einen Job.
Hier hat Volkswagen großen Schaden angerichtet: Das öffentliche Image der Autobauer rasselt in den Keller. Und populistische MundwerkerInnen aller Couleurs melden sich zu Wort.
Es wäre wünschenswert, dass diese Drohrituale am Schluss nicht nur politisches Kleingeld einbringen, sondern auch etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Zum Beispiel: Praxisnahe Abgas- und Verbrauchstests für zukünftige Neuwagen, egal mit welchem Antrieb.
Diesel, adieu?
Das Weltprodukt TDI war ein Baustein in der Volkswagen-Strategie für Amerika. Man spielt am Automarkt der USA lange nicht dieselbe Hauptrolle wie in Europa; die Muttermarke tut sich bei Absatz und Image schwerer als die noble Tochter Audi.
Sparsamer Betrieb mit Fahrspaß und niedrigen Emissionen, ganz ohne Additive: Das war die Schlagrichtung der VW-Werbekampagne für den „Clean Diesel“. Man wird jetzt umdenken und den Hybridantrieb forcieren müssen. Das kommt wohl auch in Europa auf uns zu.